Erbrecht Kind eines verschollenen Vaters

  • Beantragt wurde ein Erbschein nach dem im Jahr 2017 verstorbenen Bruder (geboren 1938, verstorben 2017, ledig, keine Kinder).
    Erbberechtigt sind ein Neffe (Sohn der 1941 geborenen Schwester) und die Schwester (geboren 1955) - lt. Antrag je zu 1/2

    Nach Anforderung der Sterbeurkunden der Eltern wurde mitgeteilt, dass es bzgl. des Vaters kein Sterbenachweis gibt, da er im Krieg als vermisst gemeldet wurde (er war 1902 geboren).
    In der Geburtsurkunde der 1955 geborenen Schwester steht die Mutter als Ehefrau des seit 1944 vermissten Vaters
    und ein Randvermerk von 1956: Auf Anordnung der unteren Verwaltungsbehörde wird berichtigend vermerkt: die Worte "seit 1944 vermisst"sind zu streichen

    Kann ich nun den Erbschein antragsgemäß erteilen, da die Schwester ja lt. Urkunde und gem.§ 1592 BGB als ehelich gilt
    oder bin ich bösgläubig, da der Vater ja biologisch nicht der Vater der Schwester sein kann ? Dann müsste ja aber erst ein Todeserklärungsverfahren durchgeführt werden, das ich ja ansonsten aufgrund der Todesvermutung nicht mehr brauchen würde.

  • Also ich würde schon noch weitere Ermittlungen zu demVater anstellen, denn wenn er 1956 dann doch nicht mehr vermisst war, hatdieser vielleicht auch noch weitere Kinder (Halbgeschwister des Erblassersväterlicherseits) die zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören würden.Vielleicht findest Du ja auch ein bereits durchgeführtesTodeserklärungsverfahren und das Wort "vermisst" wurde nur deshalbgestrichen, weil er ja nicht mehr vermisst ist sondern für Tod erklärt wurde.Dann hättest Du auch den Todeszeitpunkt und er könnte nachweislich nicht derVater der Schwester sein.

  • Mit den Worten "seit 1944 vermisst" wollte der Standesbeamte dokumentieren, dass der Ehemann nicht Vater des Kindes sein kann. § 1591 damalige Fassung:
    "Das Kind ist nicht ehelich, wenn es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß die Frau das Kind von dem Manne empfangen hat."
    [FONT=&quot]
    [/FONT]Die Verwaltungsbehörde / Standesamtsaufsicht hat dann wohl die Streichung veranlasst, weil Angaben, ob der Mann vermisst ist, im Geburtsregister nichts zu suchen haben.

    Wenn er bis 1955 nicht wieder aufgetaucht ist, kann man davon ausgehen, dass er den Krieg nicht überlebt hat. Aber ohne Todeserklärungsverfahren wird man den Glauben in die Richtigkeit des Geburtsregisters nicht erschüttern können.

    Was sagt denn der Neffe dazu? Nur der hat ein Interesse daran, festzustellen, dass seine Tante nur Halbschwester seines Onkels ist.

  • Die waren Beide bei mir und haben den Erbschein gemeinschaftlich beantragt. Mir ist das Ganze ja auch erst aufgefallen, als ich die Sterbeurkunden der Eltern angefordert habe und die Schwester des Erblassers berichtete, dass es für den Vater keine Sterbeurkunde gibt, da er im Krieg vermisst und niemals für tot erklärt wurde

  • Man muss immer zwischen der rechtlichen und der biologischen Vaterschaft unterscheiden.

    Auch wenn der vermisste Ehemann wohl kaum das Kind gezeugt hat, gilt er nach § 1592 Nr. 1 BGB als Vater, solange sein Tod nicht belegt ist und die Ehe mit der Kindesmutter bestand. Erfolgt keine Todeserklärung, gilt er nach § 10 VerschG grundsätzlich auch zum Zeitpunkt der Zeugung und der Geburt des Kindes als dessen rechtlicher Vater.

    Vgl. § 1592 BGB:

    Vater eines Kindes ist der Mann,

    1.der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
    2.der die Vaterschaft anerkannt hat oder
    3.dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

    Nachdem der Vater 1902 geboren wurde, hätte er zum Erbfall über 110 Jahre als sein müssen. Sein Vorversterben ist daher offenkundig. Offenkundige Tatsachen bedürfen keines Nachweises.

    Der Erbschein wäre demnach zu erteilen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Dazu aber mal eine blöde Frage. Art 224 § 1 Abs. 1 EGBGB "Die Vaterschaft hinsichtlich eines vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindes richtet sich nach den bisherigen Vorschriften."

    Damit ist man aber doch bei dem alten § 1591 BGB mit dem ominösen Passus "Das Kind ist nicht ehelich, wenn es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß die Frau das Kind von dem Manne empfangen hat."

    Kann dieses "offenbar unmöglich", was bei den Kriegs- und Nachkriegsereignissen öfters vorkommt, genügen um die rechtliche Vaterschaft auch ohne Anfechtung zu beseitigen?

  • Gute Frage!!!

    :confused:

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  • Ich habe keine spontane Antwort....

    Aber in BGB/MüKo/Seidel § 1592 Rn. 13ff. steht:


    [TABLE='width: 100%']

    [tr][td]

    Sinn und Zweck der Übergangsregelung lassen nur die Auslegung zu, daß entgegen dem Wortlaut von § 1600c Abs. 1 auch die alte Ehelichkeitsvermutung widerlegt werden muß, wenn die Anfechtung der Vaterschaft Erfolg haben soll. Denn Inhalt des § 1600c Abs. 1ist allgemeiner formuliert der Gedanke, daß die in Zweifel gezogene Vaterschaftszuordnung im Interesse der Stabilität des Personenstandes als richtig vermutet wird, vgl. auch § 1593 RdNr. 10.

    [/td]


    [TD='width: 15'][h=3]14[/h][/TD]

    [/tr]


    [/TABLE]

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (15. Juni 2018 um 23:29)

  • Ich werde die Beiden jetzt erst mal zu meinen Bedenken anhören

    Mein Problem ist nur: wäre der Erblasser früher gestorben, hätte ich ja ohnehin ein Todeserklärungsverfahren benötigt
    mit der Konsequenz, dass die Geburtsurkunde der Schwester berichtigt werden müsste

    Ich fürchte nur, das meine Antragsteller sich einig sind und den Erbschein antragsgemäß erteilt haben wollen, da der Nachlasswert gering ist und der Aufwand und Zeitfaktor unverhältnismäßig

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