Europäischer Vollstreckungstitel

  • Fall:

    Kl. = GmbH mit Sitz in Deutschland
    Bekl. = natürliche Person mit Wohnsitz in Litauen, Kaufmann, betreibt Handelsgewerbe

    Klage: Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung aus Kaufvertrag

    Es ergeht ein VU (2015) und ein KFB (2017).

    Kl. beantragt Bestätigung als EU-Titel gem. § 1080 I ZPO.

    Muss ich jetzt die Verordnung 805/2004 oder Lugano-Übereinkommen vom 30.10.2007 zur Prüfung nehmen?

    Kann mir jemand helfen?

  • 1.
    Sofern die Verfahrenseinleitung nach dem 09.01.2015 erfolgte, hat die Gläubigerpartei die Wahlmöglichkeit zwischen der Bestätigung des Versäumnisurteils und des Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und der Erteilung einer Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-Verordnung) zu dem Versäumnisurteil und Kostenfestsetzungsbeschluss.

    Das Lugano-Übereinkommen vom 30.10.2017 findet dagegen im Verhältnis zu Litauen keine Anwendung, da Litauen Mitgliedstat der EU ist

    2.
    Ob die Schuldtitel als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen nach der
    EU-Verordnung Nr. 805/2004 bestätigt werden können, hängt im vorliegenden Fall davon ab, ob der Beklagte ein Verbraucher ist.

    2.1
    Der Kostenfestsetzungsbeschluss kann aufgrund des Wohnsitzes der Schuldnerpartei im EU-Ausland nicht
    als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, da er hinsichtlich der Gerichtskosten und Anwaltskosten ein Verbraucher ist.

    2.2
    Gehört der Kaufgegenstand nicht zum Handelsgeschäft der Schuldnerpartei, kann aufgrund des Wohnsitzes der Schuldnerpartei im EU-Ausland das Versäumnisurteil nicht als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden, da er ein Verbraucher ist.

    Gehört dagegen der Kaufgegenstand zum Handelsgeschäft der Schuldnerpartei, kann trotz des Wohnsitzes der Schuldnerpartei im EU-Ausland das Versäumnisurteil als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden, da er kein Verbraucher ist;
    der ausländische Wohnsitz der Schuldnerpartei steht der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht entgegen.
    Die verbraucherschützenden Vorschriften der EU-Verordnung Nr. 805/2004 sind daher nicht zu beachten.

    3.
    Die Schuldnerpartei wird zuvor nicht angehört;
    eine Ausfertigung der Bestätigung ist von Amts wegen der Schuldnerpartei zuzustellen, § 1080 I S. 2 ZPO.
    Das Formular befindet sich in allen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Justizportal:
    https://e-justice.europa.eu/content_europe…forms-270-de.do

    Es ist das Formular in litauischer Sprache zu verwenden; die Eintragungen können in deutscher Sprache erfolgen.

    Einzelheiten zum Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen können der entsprechenden Info im Justizportal NRW https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtimausland/infos/index.php entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtimausl…zv/1/euvtvo.pdf

    14 Mal editiert, zuletzt von rolli (28. August 2018 um 16:41)

  • 1.
    Zu dem Kostenfestsetzungsbeschluss ist daher auf Antrag der Gläubigerpartei stattdessen eine Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO) zu erteilen.
    Das Formular befindet sich in allen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Justizportal:
    https://e-justice.europa.eu/content_judgme…forms-273-de.do
    Es ist das Formular in litauischer Sprache zu verwenden; die Eintragungen können in deutscher Sprache erfolgen.

    Ziffer 4.6.1 (4.6.1 - 4.6.1.5.3) ist nicht auszufüllen, sondern stattdessen unter Ziffer 4.7:
    Die Kostenforderung ist als Betrag in Ziffer 4.7.3.1 anzugeben;
    der Zinssatz der Kostenforderung unter Ankreuzen des Kästchens unter Ziffer 4.7.4.2 und 4.7.4.2.2 anzugeben.
    Unter Ziffer 4.7.4.2.2 ist als Zinssatz einzutragen: 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB.
    Unter Ziffer 4.7.4.2.2.1 ist nur der Zinsbeginn anzugeben.

    Eine Übersetzung der Eintragungen im Vordruck ist nur bei ergänzenden Eintragungen erforderlich;
    die Beauftragung des Übersetzungsbüros erfolgt nicht durch das Gericht, sondern durch die Gläubigerpartei.
    Ob letztlich eine Übersetzung benötigt wird, entscheidet das Vollstreckungsorgan in Litauen.

    Auch wenn der Kostenfestsetzungsantrag als verfahrenseinleitendes Schriftstück im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Schuldnerpartei zugestellt sein sollte (Verletzung rechtlichen Gehörs), kann die begehrte Bescheinigung erteilt werden.
    Die Schuldnerpartei könnte jedoch ggfs. bei dem litauischen Gericht einen Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach Art. 46 EuGVVO stellen.
    Die Schuldnerpartei kann sich jedoch nicht erfolgreich auf den Versagungsgrund des Art. 45 I b) EuGVVO (Verletzung rechtlichen Gehörs) berufen, falls sie gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss in Deutschland einen Rechtsbehelf/ein Rechtsmittel hätte einlegen können, hiervon aber keinen Gebrauch gemacht hat.
    Im Falle der Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses ist daher eine Antragstellung nach Art. 46, 45 I b) EuGVVO für die Schuldnerpartei im Regelfall nicht erfolgreich.

    Vor Erteilung der Bescheinigung wird die Schuldnerpartei nicht angehört;
    eine Ausfertigung der Bescheinigung wird der Schuldnerpartei von Amts wegen zugestellt, § 1111 I S. 2 ZPO.

    Einzelheiten zur Brüssel Ia-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (EuGVVO)) können der entsprechenden Info im Justizportal NRW https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtimausland/infos/index.php entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimauslan ... eugvvo.pdf


    2.
    Falls zu dem Versäumnisurteil ebenfalls eine Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO) erteilt wird: D
    Die Zinsforderung der Hauptforderung ist dagegen unter Ziffer 4.6.1.5 anzugeben:
    Das Kästchen unter Ziffer 4.6.1.5.1.2 ist anzukreuzen und der Zinssatz unter Ziffer 4.6.1.5.1.2.2. wie folgt anzugeben: 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch);
    der Zinsbeginn ist unter Ziffer 4.6.1.5.1.2.3 (ab ...) anzugeben.

    7 Mal editiert, zuletzt von rolli (30. Januar 2019 um 00:09)

  • 1.
    Da die Klage bereits am 04.08.2014 eingegangen ist, handelt es sich um einen Altfall.
    Die Brüssel Ia-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (EuGVVO) findet daher keine Anwendung.
    Die Bescheinigung (Fomblatt I EuGVVO) kann daher weder zu dem Versäumnisurteil noch zu dem Kostenfestsetzungsbeschluss erteilt werden.

    2.
    Hinsichtlich der beiden Schuldtitel hat die Gläubigerpartei daher die Wahlmöglichkeit zwischen der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und der Erteilung einer Bescheinigung (Formblatt V EU-Verordnung Nr. 44/2001 (Brüssel-I-Verordnung (VO (EU) Nr. 44/2001).

    Aus dem als Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigten Schuldtitel kann im EU-Ausland unmittelbar vollstreckt werden;
    bei der Brüssel-I-Verordnung kann dagegen nicht aus dem deutschen Schuldtitel unmittelbar im EU-Ausland vollstreckt werden.
    Es bedarf für die Zwangsvollstreckung im EU-Ausland der vorherigen Durchführung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Vollstreckungsmitgliedstaat (hier: Litauen).
    Die Bescheinigung (Formblatt V VO (EU) Nr. 44/2001) wird für das Vollstreckbarerklärungsverfahren benötigt.

    3.
    Ob die Schuldtitel als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen nach der
    EU-Verordnung Nr. 805/2004 bestätigt werden können, hängt im vorliegenden Fall davon ab, ob der Beklagte ein Verbraucher ist.

    3.1
    Der Kostenfestsetzungsbeschluss kann aufgrund des Wohnsitzes der Schuldnerpartei im EU-Ausland nicht
    als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, da er hinsichtlich der Gerichtskosten und Anwaltskosten ein Verbraucher ist.

    3.2
    Gehört der Kaufgegenstand nicht zum Handelsgeschäft der Schuldnerpartei, kann aufgrund des Wohnsitzes der Schuldnerpartei im EU-Ausland das Versäumnisurteil nicht als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden, da er ein Verbraucher ist.

    Gehört dagegen der Kaufgegenstand zum Handelsgeschäft der Schuldnerpartei, kann trotz des Wohnsitzes der Schuldnerpartei im EU-Ausland das Versäumnisurteil als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden, da er kein Verbraucher ist;
    der ausländische Wohnsitz der Schuldnerpartei steht der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht entgegen.
    Die verbraucherschützenden Vorschriften der EU-Verordnung Nr. 805/2004 sind daher nicht zu beachten.

    4.
    Die Schuldnerpartei wird zuvor nicht angehört;
    eine Ausfertigung der Bestätigung ist von Amts wegen der Schuldnerpartei zuzustellen, § 1080 I S. 2 ZPO.
    Das Formular befindet sich in allen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Justizportal:
    https://e-justice.europa.eu/content_europe…forms-270-de.do

    Es ist das Formular in litauischer Sprache zu verwenden; die Eintragungen können in deutscher Sprache erfolgen.

    Einzelheiten zum Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen können der entsprechenden Info im Justizportal NRW https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtimausland/infos/index.php entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtimausl…zv/1/euvtvo.pdf

    2 Mal editiert, zuletzt von rolli (28. August 2018 um 17:01)

  • Zu dem Kostenfestsetzungsbeschluss ist auf Antrag der Gläubigerpartei eine Bescheinigung (Formblatt V VO (EU) Nr. 44/2001) zu erteilen;
    diese wird vom Rechtspfleger oder der Serviceeinheit erteilt.
    Sie obliegt demjenigen, dem die Erteilung der Vollstreckungsklausel obliegt.

    Sofern und soweit die Schuldnerpartei in der Hauptsache ein Verbraucher ist, ist ebenfalls zu dem Versäumnisurteil eine Bescheinigung(Formblatt V VO (EU) Nr. 44/2001) zu erteilen.

    Die Schuldnerpartei wird weder vorher angehört noch wird die vorgenannte Bescheinigung der Schuldnerpartei zugestellt.

    Das Formular befindet sich in allen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Justizportal:
    https://e-justice.europa.eu/content_judgme…forms-273-de.do

    Es ist das Formular in litauischer Sprache zu verwenden; die Eintragungen können in deutscher Sprache erfolgen.

    Einzelheiten zur Brüssel I-Verordnung können der entsprechenden Info im Justizportal NRW https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtimausland/infos/index.php entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtimausl…uessel-I-vo.pdf


  • Ziffer 4.6.1 (4.6.1 - 4.6.1.5.3) ist nicht auszufüllen, sondern stattdessen unter Ziffer 4.7:
    Die Kostenforderung ist als Betrag in Ziffer 4.7.3.1 anzugeben;
    die Zinsforderung dagegen unter Ziffer 4.6.1.5:
    Das Kästchen unter Ziffer 4.56.1.5.1.2 ist anzukreuzen und der Zinssatz unter Ziffer 4.6.1.5.1.2.2. wie folgt anzugeben: 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch);
    der Zinsbeginn ist unter Ziffer 4.6.1.5.1.2.3 (ab ...) anzugeben.

    Warum werden die Zinsen nicht bei 4.7.4 angegeben? (Wobei unter 4.7.4.2.2.1 ja nur der Beginn eingetragen werde könnte, nicht das Ende.)

  • 3.2
    Gehört der Kaufgegenstand nicht zum Handelsgeschäft der Schuldnerpartei, kann aufgrund des Wohnsitzes der Schuldnerpartei im EU-Ausland das Versäumnisurteil nicht als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden, da er ein Verbraucher ist.


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