"Kettennacherbschaft"?!

  • Hallo ich habe hier folgendes Testament vorliegen.

    Ehemann und Sohn sollen Vorerben sein. Ehemann zu 7/10 und Sohn zu 3/10.
    Die Tochter der Erblasserin soll Nacherbin sein.
    So weit so gut. Nun kommt jedoch noch folgender Zusatz im Testament:

    Wenn bei meinem Ableben der frühere (geschiedene) Ehemann noch lebt, so soll auch meine Tochter nur von den gesetzlichen Beschränkungen befreite Vorerbin sein. Nacherben auf ihren Tod sind ihre Kinder zu gleichen Teilen.

    Würdet ihr mir mal Eure Meinung dazu sagen, wer hier wann Erbe werden soll. DANKE :)


    Sinn des ganzen soll wohl sein, dass der frühere/geschiedene Ehemann nicht über die Tochter an das Erbe gelangen soll.

  • Vollkommen übliche Formulierung in sog. "Geschiedenentestamenten" nach erneuter Heirat.

    Es soll verhindert werden,

    1. dass die Kinder des zweiten Ehegatten Ansprüche von Todes wegen auf das geerbte Vermögen erhalten; daher wird der neue Ehegatte nur Vorerbe,
    2. dass der Ex-Ehegatte, wenn er das gemeinsame Kind überlebt, dessen Erbe wird so und "über Bande" das Vermögen erbt (oder aus diesem Vermögen den Pflichtteil erhält), was man ihr/ihm im Scheidungsverfahren mühsam abgerungen hat.

    Was unüblich (und ehrlich gesagt in einem Geschiedenentestament auch Nonsens) ist, ist die Einsetzung der Kinder der Tochter als Nacherben. Sobald die Tochter Kinder hat, kann der Vater (der geschiedene Ex des Erblassers) nicht mehr gesetzlicher Erbe sein. Lege artis ist es daher, die Vorerbeinsetzung der Tochter dadurch auflösend zu bedingen, dass sie eigene Kinder (leiblich oder angenommen) hat. Dann ist der Vater raus. Diese Formulierung würde nur Sinn machen, wenn bei der Tochter selbst etwas nicht in Ordnung ist (Überschuldung/Behinderung etc).

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Also der geschiedene Ehemann lebt noch, sonst wäre es ja zu einfach :)

    Nun gibt es doch aber meiner Meinung nach folgende Möglichkeiten:

    1.) Im Testament steht "wenn bei meinem Ableben mein früherer Ehemann noch lebt, ist meine Tochter (die ja eigentlich Nacherbin sein soll) nur befreite Vorerbin". Dann hätte ich doch jetzt 3 Vorerben. Fraglich ist dann aber zu welchem Anteil die Tochter Vorerbin sein soll.

    Oder

    2.) Gemeint war vielleicht nicht der Zeitpunkt des Ablebens sondern der Eintritt des Nacherbfalls (also wenn Sohn und Vater gestorben sind) Dann soll die Tochter, die bislang Nacherbin war plötzlich zur Vorerbin werden und ihre Kinde dann wiederum Nacherben. D. h. so eine Art Kettennacherbschaft. Ist das möglich?

    Oder verstehe ich hier irgendetwas völlig falsch?

  • Die Anordnung einer mehrfachen Nacherbfolge ist möglich. Der erste Nacherbe (die Tochter) ist dem zweiten Nacherben (den Enkeln) gegenüber dann Vorerbe.
    Ich denke (ohne die vollständige genaue Formulierung) des Testaments zu kennen, dass das hier gemeint war.

  • Die Anordnung einer mehrfachen Nacherbfolge ist möglich. Der erste Nacherbe (die Tochter) ist dem zweiten Nacherben (den Enkeln) gegenüber dann Vorerbe.
    Ich denke (ohne die vollständige genaue Formulierung) des Testaments zu kennen, dass das hier gemeint war.

    Und wie würde jetzt denn der Erbschein bei dir aussehen? Die Formulierung würde mich interessieren :)

  • Die Anordnung einer mehrfachen Nacherbfolge ist möglich. Der erste Nacherbe (die Tochter) ist dem zweiten Nacherben (den Enkeln) gegenüber dann Vorerbe.
    Ich denke (ohne die vollständige genaue Formulierung) des Testaments zu kennen, dass das hier gemeint war.

    Und wie würde jetzt denn der Erbschein bei dir aussehen? Die Formulierung würde mich interessieren :)

    Die am ... verstorbene [Erblasserin] ist von [Ehemann und Sohn, mit Anteilsverhältnis] beerbt worden.
    Nacherbschaft ist angeordnet. Nacherbin für jeden der Erben ist [Tochter].
    [Tochter] ist ihrerseits nur befreite Vorerbin. Nacherben von [Tochter] sind ihre [Abkömmlinge, diese unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge].

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Erblasserin ...
    ist beerbt worden von

    a) Ehemann zu 7/10
    b) Sohn zu 3/10

    Für jeden der beiden Erbteile ist Nacherbfolge angeordnet, die mit dem Ableben des jeweiligen Vorerben eintritt. Nacherbin ist jeweils (Tochter), ersatzweise jeweils deren Abkömmlinge zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

    Nachnacherbfolge ist angeordnet, die mit dem Ableben der weiteren Vorerbin (Tochter) eintritt. Nachnacherben sind die Abkömmlinge der weiteren Vorerbin zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Die Nachnacherbfolge bezieht sich auf den gesamten Nachlass, sofern die weitere Vorerbin nach beiden ersten Vorerben zur Nacherbin berufen ist und sie bezieht sich nur auf den Erbteil des erstversterbenden ersten Vorerben, wenn die weitere Vorerbin nur nach diesem ersten Vorerben zur Nacherbin berufen ist.

    Hinweis 1: Also zwei erste Nacherbfolgen nach jedem der beiden Erbteile.
    Hinweis 2: Was Gegenstand der Nachnacherbschaft ist, hängt davon ab, ob die weitere Vorerbin nur einen oder beide erste Nacherbfälle erlebt.
    Hinweis 3: Die Formulierung bezieht sich auf nicht befreite Vorerbschaften. Hier kann man mittels Auslegung aber gerade bei Geschiedenentestamenten auch zu einem anderen Ergebnis gelangen.

  • Ich möchte gerne wissen, wie ihr das auslegt:

    "§1 Ich setze meine drei Kinder zu Vorerben ein und befreie sie von den gesetzlichen Beschränkungen.
    §2 Nacherben beim Tod der Vorerben sowie Ersatzerben sind die jeweiligen ehelichen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Soweit solche nicht vorhanden sind, tritt Anwachsung an die anderen Geschwisterstämme ein.
    §3 Ergänzung zu §1 bestimme ich: Im Rang nach den dort genannten Nach- und Ersatzerben berufe ich meine Geschwister, ersatzweise ihre ehelichen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Im Rang danach berufe ich meine Geschwister gegenseitig zu Nach- und Ersatzerben.
    §4 Meine geschiedene Ehefrau schließe ich auf jeden Fall von der Nach- oder Ersatzerbfolge aus."

    Würdet ihr darin eine mehrfache Nacherbfolge sehen? Also als Nacherben zuerst die Enkel und nach deren Tod dann die Geschwister? Oder ist §3 lediglich die Bestimmung von Ersatznacherben für den Fall, dass es keine Enkel gibt? Die Geschwister des Erblassers sind ja in jedem Fall am Verfahren beteiligen (als Nachnacherben oder Ersatznacherben). Wie formuliere ich das am besten in einem Erbschein?

  • Ich möchte gerne wissen, wie ihr das auslegt:

    "§1 Ich setze meine drei Kinder zu Vorerben ein und befreie sie von den gesetzlichen Beschränkungen.
    §2 Nacherben beim Tod der Vorerben sowie Ersatzerben sind die jeweiligen ehelichen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Soweit solche nicht vorhanden sind, tritt Anwachsung an die anderen Geschwisterstämme ein.
    §3 Ergänzung zu §1 bestimme ich: Im Rang nach den dort genannten Nach- und Ersatzerben berufe ich meine Geschwister, ersatzweise ihre ehelichen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Im Rang danach berufe ich meine Geschwister gegenseitig zu Nach- und Ersatzerben.
    §4 Meine geschiedene Ehefrau schließe ich auf jeden Fall von der Nach- oder Ersatzerbfolge aus."

    Würdet ihr darin eine mehrfache Nacherbfolge sehen? Also als Nacherben zuerst die Enkel und nach deren Tod dann die Geschwister? Oder ist §3 lediglich die Bestimmung von Ersatznacherben für den Fall, dass es keine Enkel gibt? Die Geschwister des Erblassers sind ja in jedem Fall am Verfahren beteiligen (als Nachnacherben oder Ersatznacherben). Wie formuliere ich das am besten in einem Erbschein?

    Das würde ich mal für eine Ersatz(nach)erbenbestimmung halten.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich würde es auch als Ersatzbestimmung auslegen. Bin mir aber jetzt total unsicher wie ich einen Erbschein formulieren muss:
    "Erblasser E ist beerbt worden von:
    Kind 1, Kind 2, Kind 3 zu je 1/3. Nacherbfolge ist angeordnet. Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod des jeweiligen Vorerben ein. Die Vorerben sind von den Beschränkungen des §2136 BGB befreit. Nacherben sind die jeweiligen ehelichen Abkömmlinge der Vorerben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Dies sind zur Zeit X,Y und Z. Ersatznacherben sind die Geschwister des Erblassers, ersatzweise ihre ehelichen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge."

    Das wäre mein Formulierungsvorschlag.
    Müsste ich die Geschwister als Ersatznacherben (und auch deren Abkömmlinge) ebenfalls namentlich aufführen, oder kann man das so allgemein gefasst lassen? Beteiligen muss ich aber am Verfahren alle (potentiellen) Nacherben = Abkömmlinge von Kind 1, Kind 2 und Kind 3, Geschwister und die Abkömmlinge der Geschwister, oder?
    Inwieweit trifft mich jetzt momentan schon eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Nacherben? Muss ich mir Geburtsurkunden vorlegen lassen um zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eheliche Abkömmlinge handelt? Oder verlasse ich mich auf den Sachvortrag der Beteiligten und das wird erst nach dem Eintritt des Nacherbfalls geprüft?
    Muss ich das mit der Anwachsung unter den Nacherben noch irgendwie zum Ausdruck bringen?
    Habt ihr Verbesserungsvorschläge bzw. Dinge die man unbedingt abändern muss? Ich bin für jeden Tipp dankbar.

  • Erblasser ...
    ist beerbt worden von
    A, B und C zu je einem Drittel.

    Für jeden Erbteil ist Nacherbfolge angeordnet, die jeweils mit dem Ableben des jeweiligen Vorerben eintritt. Jeder Vorerbe ist - soweit gesetzlich zulässig - von den gesetzlichen Beschränkungen der Vorerbschaft befreit.

    Nacherben für jeden Erbteil sind die im Zeitpunkt des Ablebens des jeweiligen Vorerben vorhandenen Abkömmlinge des jeweiligen Vorerben zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

    Ersatznacherben für jeden Erbanteil beim Nichtvorhandensein von Abkömmlingen des jeweiligen Vorerben sind die beiden anderen Vorerben und für jeden der beiden Vorerben wiederum deren Abkömmlinge zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

    Weitere Ersatznacherben für jeden Erbanteil beim Nichtvorhandensein von Abkömmlingen des jeweiligen Vorerben und beim Ausfall der Ersatznacherbfolge zugunsten der beiden anderen Vorerben bzw. zugunsten von deren Abkömmlingen sind die Geschwister des Erblassers zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Weitere Ersatznacherben für die Geschwister des Erblassers beim Nichtvorhandensein von Geschwisterabkömmlingen sind die übrigen Geschwister des Erblassers und für diese wiederum deren Abkömmlinge zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

    -------

    Wenn für die Persönlichkeit der Nacherben auf den Zeitpunkt des jeweiligen Nacherbfalls abgestellt ist, haben die "derzeitigen" Nacherben namentlich im Erbschein nichts verloren, weil die Nacherben dann insgesamt i.S. des § 1913 BGB unbekannt sind. So wie der Erblasser testiert hat, kann m.E. nicht davon ausgegangen werden, dass die "derzeiten" Abkömmlinge der jeweiligen Vorerben in persona Nacherben sein sollen. In diesem Fall wäre der o.g. Formulierungsvorschlag nicht zutreffend, weil die Nacherben dann bekannt wären (die aktuell vorhandenen jeweiligen Abkömmlinge eines jeden Vorerben) und man dann noch eine weitere Ersatznacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge der Abkömmlinge dazwischenschalten müsste, bevor dann erst die übrigen Stämme oder letztlich die Geschwister zum Zuge kommen können.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!